Wie kann man Wissenschaft vermitteln?

Experten diskutierten die Lage von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Der steirische Forschungsrat fordert den Erhalt des Wissenschaftsministeriums.

Wie steht es um die öffentliche Wahrnehmung von Wissenschaft und Forschung in unserem Land? Und wie können Wissenschaftsjournalisten in Zukunft noch mehr Menschen für komplexe Themen begeistern? Darüber diskutierten auf Einladung des Steirischen Forschungsrates am 21. November 2013 hochrangige Kommunikationswissenschaftler, Politiker und Wissenschafts-Journalisten im Joanneumsviertel in Graz. So unterschiedlich die Diskutanten manche Themenbereiche auch einschätzten, in einem Punkt waren sich alle einig: Der Wissenschaftsjournalismus ist in Österreich noch unterrepräsentiert - und das soll sich ändern. "Wissenschaft und Öffentlichkeit sind aufeinander angewiesen - aber sie funktionieren komplett unterschiedlich. Die Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus ist jene des Übersetzers, der dem Medienkonsumenten komplexe Inhalte näher bringen möchte", sagt Universitätsprofessor Matthias Karmasin, Ordinarius am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Universität Klagenfurt und Leiter der Diskussion.

Die steirische Wissenschafts-Landesrätin Kristina Edlinger-Ploder betonte mit Stolz, dass in der Steiermark die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bereits jetzt weit über dem Österreich-Schnitt lägen und die Budgettöpfe für Wissenschaft und Forschung auch vom Konsolidierungskurs der Reformpartnerschaft in der Steiermark nicht gekürzt werden. "In den letzten zwanzig Jahren hat sich auf dem Gebiet des Wissenschaftsjournalismus viel getan. Zu meiner Zeit gab's dafür nur Ö1, heute gibt es unterschiedliche TV-Formate, Beilagen in Zeitungen und Magazinen. Es kann aber noch mehr sein." Edlinger-Ploder wünscht sich von Wissenschaftsjournalisten mitunter auch Rückenwind für Investitionen, wie etwa in die Grundlagenforschung, deren Notwendigkeit von vielen Teilen der Öffentlichkeit nicht gleich auf den ersten Blick erkannt wird.

Dass Artikel über Wissenschafts-Themen konsumiert werden, ortet Oliver Lehmann, Sprecher des Institute of Science and Technology Austria im niederösterreichischen Gugging: "Es haben mehr Artikel einen Bezug zur Wissenschaft als auf den ersten Blick erkennbar. Ich denke hier nur an Berichte über Umweltkatastrophen, wo die Meteorologie wichtige Fakten liefert. Die Wissenschaft kommt eben nicht immer mit dem richtigen Mascherl daher."

Wissenschaft in der Zwickmühle

Wie stark sich das Bild des Wissenschaftsjournalismus in den letzten Jahrzehnten geändert hat, legte die deutsche Kommunikationswissenschaftlerin Corinna Lüthje dar: "Durch die Kürzung von Budgetmitteln oder Finanzierung durch Konzerne wird die Wissenschaft leichter korrumpierbar. Der finanzielle Druck sorgt mitunter dafür, dass durch das gezielte Forcieren von Themen - in der Hoffnung, damit eine Schlagzeile zu landen - verstärkt Fehlinformationen publiziert werden. Es haben sich Firmen gebildet, die im Auftrag von Unternehmen Wissenschafts-PR betreiben. Die Aufgabe des Wissenschafts-Journalismus ist daher auch, wissenschaftliche Ergebnisse zu evaluieren." Wissenschaftsjournalist Martin Kugler und Günther Mayr, Leiter der Aktuellen Wissenschaft im ORF Fernsehen, sehen diese Aufgabe allerdings nicht bei den Journalisten. "Wie gut eine Wissenschaft ist, können wir nicht beurteilen. Das muss die Wissenschaft tun", betont Kugler und erhält Rückendeckung von Günther Mayr: "Pro Tag kommen 200 Mails herein. Das Evaluieren von Ergebnissen ist aus Kapazitätsgründen nicht möglich."

Grundlagenforschung im medialen Abseits

Während Wissenschaftler in Krisenzeiten (Atomkatastrophe Fukushima, diverse Naturkatastrophen, etc.) in vielen Medien als Experten auftauchen und den Menschen Dinge erklären, ist es beinahe unmöglich, mit der vermeintlich unspektakulären Grundlagenforschung in der Öffentlichkeit zu punkten. Das führt auch dazu, dass laut Euro-Barometer-Umfrage aktuell nur 48 % der befragten Österreicherinnen und Österreicher es befürworten, dass dieser Wissenschaftszweig finanziell gut ausgestattet wird. Hier appellierten die anwesenden Journalisten an die Politiker, Mut zu zeigen: "Politiker haben es oft schwer, Investitionen in die Grundlagenforschung zu rechtfertigen, weil es sich am Wahltag vielleicht noch nicht auszahlt. Aber es ist ehrlich und wirklich eine Maßnahme für eine lange Zeit."

Erhalt des Wissenschaftsministeriums unabdingbar

Sowohl Kugler als auch Mayr sehen den Wissenschaftsjournalisten als durchaus anerkannte Spezies - innerhalb der Redaktions-Stuben wie auch in der Außenwirkung. Aber es gibt zu wenige. Oliver Lehmann schlägt daher vor, bei der Presseförderung die Beschäftigung von Wissenschaftsjournalisten zur Bedingung für den Erhalt der Förderung zu machen. Und er wünscht sich im Lichte der derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen, dass das Wissenschaftsministerium erhalten bleibt: „Wenn es nur noch ein Staatssekretariat für Wissenschaft gibt, dann führt das auch zu einer Abwertung des Wissenschafts-Journalismus."

Diskussionsleiter und Kommunikationswissenschaftler Matthias Karmasin formulierte abschließend zwei Wünsche für die Zukunft: „Es müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es dem Wissenschaftsjournalismus ermöglichen, an die Menschen heranzutreten - und zwar ohne Abhängigkeiten. Und der zweite Wunsch: Der Wissenschaft muss es gelingen, den Menschen klar zu machen, dass Ausgaben für Forschung und Entwicklung gut angelegtes Geld ist, auch wenn - wie in der Grundlagenforschung - am Ende vielleicht nicht viel herauskommt oder etwas anderes, als eigentlich erwartet wurde."

Als erste Konsequenz aus der Diskussion hat der steirische Forschungsrat einstimmig beschlossen, der Landesregierung zu empfehlen, sich vehement für den Erhalt des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung einzusetzen.

Die Diskutant/innen: Günter Mayr (ORF), Martin Kugler (Die Presse), Corinna Lüthje (Kommunikationsexpertin), LR Kristina Edlinger-Ploder, Oliver Lehmann (Vorsitzender Klub der Wissenschaftsjournalisten), Friedrich Faulhammer (Stv. Vorsitzender Forschungsrat), Matthias Karmasin (Moderator) (v.l.)
Die Diskutant/innen: Günter Mayr (ORF), Martin Kugler (Die Presse), Corinna Lüthje (Kommunikationsexpertin), LR Kristina Edlinger-Ploder, Oliver Lehmann (Vorsitzender Klub der Wissenschaftsjournalisten), Friedrich Faulhammer (Stv. Vorsitzender Forschungsrat), Matthias Karmasin (Moderator) (v.l.)© Thomas Raggam (Abdruck bei Quellenangabe honorarfrei)

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Impressionen

Die Bühne ist hergerichtet...Die Steiermark: Forschungsland Nr. 1Bereit für die Gäste!NetworkingRektoren im Gespräch...NetworkingRektoren im Gespräch mit LRin EDLINGER-PLODERNetworkingBegrüßung durch Friedrich FAULHAMMER (Stv. Vorsitzender Forschungsrat)LRin Kristina EDLINGER-PLODERMartin KUGLEROliver LEHMANNCorinna LÜTHJEGünter MAYRMatthias KARMASIN (Moderator)LRin Kristina EDLINGER-PLODERDas PublikumDas PublikumOliver LEHMANNMartin KUGLER und Günter MAYRCorinna LÜTHJEDas PodiumOliver LEHMANN und Matthias KARMASINDas PodiumMartin KUGLER und Günter MAYRDie DiskussionsteilnehmerInnen gemeinsam mit Friedrich FAULHAMMER (zweiter v.r.)NetworkingNetworkingNetworkingNetworking unter RektorenNetworking
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